Andreas Eschbach

Das Jesus-Video

Fragt man mich nach dem besten deutschen Science-Fiction-Autor, ist meine Antwort klar: Andreas Eschbach. Die Art, wie Eschbach Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, wie er unsere heutige Welt und Fiktion immer wieder virtuos miteinander verknüpft, macht seine Bücher spannend und häufig auch lehrreich.

Eschbachs erster Beststeller war "Das Jesus-Video“. 1998 erschienen, erhielt es ein Jahr später vom Science-Fiction-Club Deutschland den deutschen Science-Fiction-Preis.

 

 Die Story in Kürze: In Israel findet der der Student Stephen Foxx bei einer Ausgrabung unter dem Archäologen Charles Wilford-Smith zuerst einen Schekel aus dem römisch-jüdischen Krieg und kurze Zeit später ein 2000 Jahre altes Skelett. Neben dem Skelett liegt ein Beutel mit einem Schriftstück, beides der Datierung nach ebenfalls 2000 Jahre alt. Wie sich herausstellt, handelt es sich bei dem Schriftstück um die Bedienungsanleitung eines CamCorders der japanischen Firma Sony, der erst drei Jahre nach dem Fund auf den Markt kommen wird. Ist der Student auf einen Zeitreisenden gestoßen, der in die Vergangenheit reiste, um ein Video von Jesus zu drehen? Ein Wettlauf beginnt – die Geldgeber der Grabung, Student Foxx und der Vatikan wollen als erste die Kamera mit dem Video finden. Jede Partei aus einem anderen Grund. Was sie alle lange Zeit nicht wissen: Die Video-Kassette wurde vor vielen Jahren bereits gefunden zu einer Zeit, in der man die Technik noch nicht kannte, – in einer Höhle bei Qumran. Der Finder war Charles Wilford-Smith. Dieser Fund erst hatte ihn zur Archäologie geführt, immer in der Hoffnung, das Rätsel um dieses merkwürdige Teil zu lösen. Was die Betrachter des Videos schließlich zu sehen bekommen, sind typische Szenen, wie man sie von Christus-Darstellungen kennt.

 

Kino im Kopf

Was mich beim Lesen am meisten bewegte, war die Frage, wie man diesen Plot auflösen kann, ohne die Gefühle von gläubigen Christen zu verletzen. Und genau an der Auflösung zeigt sich die Kunst Eschbachs.

 

Wer sich die Spannung erhalten will, sollte an dieser Stelle das Buch zur Hand nehmen und selbst lesen. Und bitte nicht den Fehler machen, den Film anzuschauen, der im Auftrag von ProSieben produziert und 2002 ausgestrahlt wurde. Das Buch ist ein Thriller, dem Film fehlen der Spannungsbogen und mehr noch die dichte emotionale und im besten Sinn religiöse Atmosphäre. Also: Lesen und das Kino im Kopf spielen lassen. Oder darauf warten, dass eine Meisterregisseur eine Neuverfilmung in Angriff nimmt. Ich könnte mir vorstellen, dass Martin Scorsese und Steven Spielberg die verschiedenen Ebenen der Geschichte zusammenbringen.

 

Es geht Eschbach nicht darum, ob die dargestellte Person wirklich der historische Jesus, der Gottessohn, der Gekreuzigte ist. Es geht um die universelle Kraft, die Leben spendet. Das Video zeigt „einen Mann, der ganz da ist, der mit jeder Faser seines Seins an diesem Ort, in diesem Augenblick existiert.“ Es zeigt, wie wir sein können und wie man „den Becher des Lebens bis zur Neige leert.“ Es könnte Jesus genauso sein wie es Buddha oder ein Unbekannter sein könnten. Es zeigt „im Prinzip die Menschen so, wie sie sein könnten, wenn sie von Liebe und Sympathie erfüllt sind.“

 

Für mich war das eine wunderbare Botschaft, die nichts an von Kraft verliert, auch wenn man das Buch zum wiederholten Male zur Hand nimmt. Meine Ausgabe ist schon ganz abgegriffen vom mehrmaligen Lesen.

– Peter –

 

Andreas Eschbach

Das Jesus-Video

Bastei-Lübbe, Bergisch Gladbach; 1998