Vor etwa einem Jahr las ich im Spiegel einen Bericht über Mariana Mazzucato. Ich freute mich, dass endlich mal eine renommierte Stimme aus der Wirtschaftswissenschaft die üblichen Narrative über Wertschöpfung hinterfragte. Was ist der wertschöpfende Anteil, wenn Unternehmen sich ins gemachte Nest setzen können, mit Steuerrabatten gepampert werden und statt selbst Forschung und Entwicklung zu betreiben das Wissen von Fakultäten einkaufen?
Die italienisch-US-amerikanische Ökonomin tritt vehement für einen unternehmerisch tätigen Staat und eine aktive Strukturpolitik ein. Die Autorin ist Professorin für Innovationsökonomie und Public Value sowie Direktorin des Institute for Innovation und Public Purpose am University College London. Zudem ist sie Sonderberaterin des EU-Kommissars für Forschung, Wissenschaft und Innovation und des Generalsekretärs der OECD. Sie hinterfragt und sieht in vielem, was hochgelobt wird, ein regelrecht parasitäres System.
So hätten die Technologieperlen des Silicon Valley nur deshalb entstehen können, weil dort mit öffentlicher Unterstützung exzellente Universitäten und Forschungsinstitute dem sehr guten Innovationsklima den Boden bereitet hätten. Von daher beruhe die dortige Spitzentechnik auf dem positiven, vom Staat geschaffene Umfeld.
Das stimmt in diesem Fall, ist aber nicht universell gültig. Die Japaner mit ihren Wissenschaftsstädten aus der Retorte scheiterten ebenso wie die Franzosen mit der Gründung von Sofia Antipolis.
Aber es hätte andere Beispiele gegeben: In Deutschland entstand auf dem platten Land mit Volkswagen ein erfolgreicher Weltmarktführer für Kfz. Gleichfalls auf Staatsinitiative oder aus staatlicher Hand heraus entstanden erfolgreiche Unternehmen wie Fraport, die DFS Deutsche Flugsicherung, der Hamburger Hafen und Logistik AG oder die Duisburger Hafen AG.
In den 1960er- und 1970er-Jahren galt das legendäre japanische MITI als übermächtiger Gegner, weil es im Verbund mit der EPA die europäischen Automobilunternehmen überrollte. Aktuell zeigt das chinesische Staatsunternehmen Huawei, dass es innerhalb weniger Jahre die anderen Telekommunikationsausrüster weltweit technologisch überflügelt.
Es wird Zeit, dass die alte Leier vom Staat als unfähigem Unternehmer aufhört. Die vom ehemaligen SPD-Wirtschaftsminister Werner Müller und seinem Nachfolger Christian Kullmann – derzeit auch VCI-Vorsitzender – aus der Ruhrkohle geschaffene Evonik beweist, dass die öffentliche Hand durchaus exzellente Topmanager anziehen und entwickeln kann.
Und gerade die Corona-Zeit zeigt, dass es Umstände gibt, in denen man wirtschaftliche Herausforderungen eben nicht dem freien Spiel der Märkte überlassen kann.
So spannend es war, Mariana Mazzucato bei ihren Gedankengängen zu folgen, so hätte ich mir doch eine sorgfältigere und eingehendere Analyse der Innovationsfaktoren gewünscht.
– Peter –
Wie kommt der Wert in die Welt?
Von Schöpfern und Abschöpfern
Campus Verlag, Frankfurt; 2019